Wenn ich auf Reisen bin, habe ich auch immer ein besonderes Auge dafür, ob Einrichtungen oder Orte behindertengerecht sind. Denn ich selbst bin vor 22 Jahren nach zwei Wirbelsäulen-OPs im Rollstuhl gelandet und musste ganz neu laufen lernen. Seitdem weiß ich, dass selbst das kleinste Hindernis im Alltag für einen Menschen mit Handicap oft ein riesiges Problem ist. Ein wichtiges Hilfsmittel, das besonders auf Reisen im Gepäck sein sollte, ist der Euroschlüssel. Er bietet – unter anderem – Zugang zu mehr als 12.000 Behindertentoiletten europaweit.
Wenn ich mit meiner besten Freundin Steffi unterwegs bin und einen defekten Fahrstuhl, zugeparkte oder gar zugebaute Behindertenparkplätze oder einen zu hohen Bordstein erblicke, dann bete ich den immer gleichen Satz herunter: „Das ist nicht behindertengerecht!“ Als wir mal zusammen in Berlin waren, habe ich diesen Satz wirklich inflationär gebraucht und mittlerweile hat auch meine Freundin den Kennerblick. Sie schreibt mir sogar schon Nachrichten, wenn sie mal im Urlaub ist und etwas entdeckt, was nicht barrierefrei ist.
Leider bekommt man ja oft nur einen Blick für die Bedürfnisse von Gehandicapten, wenn man selber betroffen ist oder mit Betroffenen zu tun hat. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen in Behörden, die für die Bedürfnisse von Behinderten zuständig sind, mal mit Angestellten besetzt würden, die wirklich wissen, was diese Bedürfnisse sind oder einen ebenso scharfen Blick dafür haben wie Steffi oder ich. Aber das ist ein anderes Thema. In diesem Text geht es um den Euroschlüssel, der das Leben von Schwerbehinderten insbesondere auf Reisen sehr erleichtern kann.
Euroschlüssel für Schwerbehinderte: Was ist das genau?
Mit dem Euroschlüssel können Bedürftige derzeit circa 12.000 Behindertentoiletten europaweit in öffentlichen Gebäuden, Bahnhöfen, Hochschulen, aber auch Freizeitanlagen, Kaufhäusern oder Autobahnratsstätten kostenlos nutzen. Der Euroschlüssel basiert auf einem einheitlichen Schließsystem, das seit 1986 in Europa für Behinderten-WCs, aber mittlerweile auch für Schranken in Parkhäusern oder vor Parkplätzen verwendet wird. Das System soll in Zukunft noch erweitert werden, sodass zum Beispiel auch Hebebühnen und Treppenlifte mit dem Euroschlüssel nutzbar sein könnten.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist mittlerweile ein flächendeckendes Netz von behindertengerechten Anlagen vorhanden, die mit dem Euroschlüssel genutzt werden können. Aber auch in anderen Ländern wie Italien oder Kroatien wachsen die Zahlen der stillen Örtchen mit einheitlichem Schließsystem. Dadurch, dass ausschließlich Bedürftige Zugang zu den Behinderten-WCs haben, kam es in der Vergangenheit sehr viel seltener zu Zerstörungen von Anlagen.
Euroschlüssel für Schwerbehinderte: Wer kann den Euroschlüssel beantragen?
Um den Euroschlüssel beantragen zu können, muss man einen deutschen Schwerbehindertenausweis vorweisen können, der entweder das Merkzeichen aG, B, H oder BL beinhaltet oder das Merkzeichen G mit einem Grad der Behinderung ab 70 Prozent aufwärts.
Bezugsberechtigt sind grundsätzlich:
- Rollstuhlfahrer
- Menschen mit schwerer oder außergewöhnlicher Gehbehinderung
- Stomaträger
- Blinde
- Menschen mit chronischer Blasen- oder Darmerkrankung
- Betroffene, die an Morbus Crohn leiden
- Menschen mit Multipler Sklerose
- Menschen, die an Colitis ulcerosa erkrankt sind
- Schwerbehinderte, die eine Hilfsperson brauchen
Viele Menschen, die unter einer der hier aufgeführten Einschränkungen oder einer Krankheit leiden, haben ohnehin einen Schwerbehindertenausweis, der die erforderlichen Merkzeichen eingetragen hat. Wer dies nicht hat oder eine Bezugsberechtigung nicht anders nachweisen kann, kann auch einen ärztlichen Nachweis einreichen. Dies trifft meist auf Betroffene mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu.
Euroschlüssel für Schwerbehinderte: So kommst du an deinen Euroschlüssel
Den Euroschlüssel kannst du beim Club Behinderter und ihrer Freunde Darmstadt (CBF Darmstadt) beantragen. Er wird deutschlandweit exklusiv von diesem kommunalen Selbsthilfeverein vertrieben.
Du kannst ihn schriftlich per Post, Fax oder per E-Mail beantragen. Beim Antrag sind ausreichende Nachweise einer Bezugsberechtigung zuzufügen, in der Regel sind das Vorder- und Rückseite des Schwerbehindertenausweises.
Der Euroschlüssel kostet einmalig 23 Euro (Stand Februar 2021). Zusätzlich kannst du den „Locus“ kaufen. Dies ist eine Zeitschrift, in der alle 12.000 WC-Standorte verzeichnet sind. Sie kostet 8 Euro (Stand Februar 2021). Im Paket mit dem Euroschlüssel wird der „Locus“ etwas günstiger. Eine App, die alle Standorte von Behinderten-WCs anzeigt, soll in Arbeit sein.
Weitere Infos bekommst du direkt beim CBF Darmstadt: https://cbf-da.de/de/shop/euro-wc-schluessel/
Hier geht es zum Bestellformular: https://cbf-da.de/de/shop/bestellformular/
Jetzt bist du dran: War dir die Existenz eines Euroschlüssels bekannt? Hast du vielleicht sogar einen Euroschlüssel? Hat er sich für dich schon als guter Reisehelfer entpuppt? Oder bist du enttäuscht vom Euroschlüssel, weil das Angebot an Einrichtungen nicht flächendeckend genug ist? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen.
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