Novara im Piemont: Die kleine Schwester von Turin

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Bevor ich Novara im Piemont das erste Mal besuchte, war ich mir sicher, dass die Überschrift für diesen Text „Die Gorgonzola-Stadt“ lauten würde. Nun war ich in Novara und weiß, dass eine Reduzierung auf den Käse der zweitgrößten Stadt im Piemont in keinem Fall gerecht werden würde. Novara ist nämlich viel mehr. Es ist eine Art Zentrum für Kultur, Kunst und Kulinarik.

Eigentlich hatte ich Novara als Reiseziel nie auf dem Schirm. Dann besuchte ich vor einigen Jahren zufällig Gorgonzola in der Lombardei. Mein spontaner Zwischenstopp in dem Städtchen verlief ein wenig enttäuschend. Von anderen Käse-Städten, die ich bis dato besucht hatte, war ich es gewohnt, dass die größte Spezialität des Ortes auch irgendwie im Stadtbild zu finden ist – sei es nur in einem Geschäft. Doch das war in Gorgonzola leider nicht der Fall.

Nach meinem Gorgonzola-Ausflug informierte ich mich ein wenig und fand heraus, dass das Zentrum der Gorgonzola-Produktion längst die Provinz Novara ist. Dazu zählt natürlich die gleichnamige Provinzhauptstadt, um die es letztlich in diesem Text hier gehen soll. Aber zur Provinz Novara gehören auch andere Gemeinden, über die ich auf diesem Blog schon berichtet habe, zum Beispiel Orta San Giulio am Lago d’Orta, Borgomanero oder auch Arona am Lago Maggiore.

Novara im Piemont: Lage und Anreise

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Arona ist übrigens ein gutes Stichwort. Genau von dort aus machte ich mich kürzlich auf den Weg, um mir Novara ein bisschen genauer anzusehen. Von der Stadt am südlichen Westufer des Lago Maggiore fahren regelmäßig Direktzüge nach Novara. Eine einfache Fahrt dauert ungefähr 50 Minuten. Etwas schneller schafft man die rund 40 Kilometer mit dem Auto, jedoch war ich froh, dass ich mein Auto in Arona gelassen hatte. Ich kam nämlich direkt zur Rush Hour in Novara an und hätte mir in dem Gewusel keinen Parkplatz suchen wollen und dabei bin ich volle Straßen aus dem Ruhrgebiet gewohnt.

Dass es in Novara am Morgen etwas trubeliger zugeht als am idyllischen Lago Maggiore, ist kein Wunder: In der Stadt leben immerhin rund 105.000 Menschen. Die zweitgrößte Stadt des Piemont ist 100 Kilometer nordöstlich von Turin zu finden. Nach Mailand sind es tatsächlich lediglich 50 Kilometer. Novara hat mehrere Partnerstädte, unter anderem Koblenz.

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Wenn die Stadt Novara sprechen könnte, hätte sie einiges zu erzählen. Denn Novara wurde bereits in der Antike gegründet. Obwohl – in gewisser Weise erzählt Novara dem aufmerksamen Besucher während eines Bummels durch den Stadtkern eine ganze Menge. Man muss sich nur die Zeit nehmen, um die zahlreichen Bauwerke aus den unterschiedlichsten Epochen genauer unter die Lupe zu nehmen. Was mich besonders überraschte: In der Innenstadt finden sich sogar noch Spuren des rechteckigen römischen Baustils. Interessiert man sich dafür besonders, kann man sogar Reste der ehemaligen römischen Stadtmauer im Museo Lapidario am Dom sehen.

Novara im Piemont: Die Basilika San Gaudenzio

Das Wahrzeichen von Novara ist die Basilika San Gaudenzio. Sie wurde zwischen 1577 und 1690 auf dem höchsten Punkt der Stadt gebaut. Doch die große Besonderheit der Kirche – die 121 Meter hohe Kuppel – folgte erst viel später. Die Arbeiten für dieses besondere Schmuckstück wurden erst im Jahr 1878 beendet. Geplant hat die Kuppel kein Unbekannter: Es ist ein Werk des berühmten Architekten Alessandro Antonellis. Das ist der Mann, der auch das Wahrzeichen von Turin – die Mole Antonelliana – geplant hat.

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Die Kuppel selber kann man an ausgewählten Tagen (meist am Wochenende) von innen besichtigen. Tickets sind recht rar und die Tour auf 100 Metern Höhe ist mit Sicherungsgeschirr und Helm zu absolvieren.

Wer nicht gerade schwindelfrei ist, schaut sich die Basilika sicher lieber vom Boden aus an. Und auch das lohnt. Schon die Eingangstür aus Nussbaum und Gusseisen ist beeindruckend und ebenfalls ein Werk Antonellis. Innen sollte man sich etwas Zeit nehmen, um die verschiedenen Kunstwerke auf sich wirken zu lassen. Mir gefiel vor allem die Cappella della Madonna di Loreto. Und ein weiterer Fakt zu der Basilika ließ vor allem mein Lago-Maggiore-Fan-Herz hüpfen. Der Glockenturm der Basilika ist aus Granit aus Baveno gebaut worden.

Novara im Piemont: Der Dom

Auch am Bau der zweiten sakralen Sehenswürdigkeit, die ich dir in diesem Text vorstellen möchte, war der Star-Architekt Alessandro Antonelli beteiligt. Zwar wurde die Kathedrale von Novara bereits im 12. Jahrhundert eingeweiht, doch ab 1854 leitete Antonelli einen großen Umbau des Doms.

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Ursprünglich war der Dom von Novara im romanischen Baustil gehalten. Es folgten zahlreiche Umbauten. Im 18. Jahrhundert folgte zum Beispiel eine Barockisierung. Das heute vorherrschende neoklassizistische Bild des Doms bekam die Kathedrale durch den bereits erwähnten von Antonelli geleiteten Umbau im 19. Jahrhundert. Aber: Nicht alle Pläne Antonellis wurden umgesetzt, so dass man heute noch gut alle Baustile im Dom wiederfinden kann.

Besonderes Highlight sind die acht Seitenkapellen und der Altar, der 1836 geweiht worden ist und nach einem Entwurf des damals noch jungen Alessandro Antonelli gefertigt wurde. Mir fiel vor allem eines auf: Das Innere des Doms in Novara ist recht farbenfroh und das gefiel mir sofort.

Auch draußen staunte ich nicht schlecht. Zum Areal gehören hübsche Kreuzgänge und ein Baptisterium, das man zwar nicht betreten, aber in das man immerhin einen Blick werfen kann. Und was ich sah, gefiel mir mehr als gut. Lasse dir die herrlichen Fresken in keinem Fall entgehen, wenn es dich einmal nach Novara verschlagen sollte.

Novara im Piemont: Weitere Sehenswürdigkeiten 

Bisher hörte sich das alles schon recht vielversprechend an, oder? Aber Novara kann noch mehr. Mitten in der Innenstadt befindet sich zum Beispiel noch ein Schloss. Das Castello di Novara entstand ab 1272. Es waren schließlich die Visconti, die durch einen großen Umbau im 14. Jahrhundert die Burg zu einer wahren Festung machten. Alte Mauern wurden durch dickere ersetzt, kleine Türme durch höhere.

Die Familie Sforza, in dessen Besitz die Burg schließlich fiel, gab durch einen weiteren Umbau dem Castello sein heutiges Gesicht. Wer mal in Mailand war, wird nun etwas hellhörig. Ja, das ist die gleiche Familie, der das Castello Sforzesco in der Metropole gehörte. Deshalb wundert es auch nicht, dass das Castello di Novara dem Schloss in Mailand durchaus ähnlich sieht. Einen letzten großen Umbau gab es im 15. Jahrhundert unter Ludovico Sforza (genannt Ludovico il Moro), der in der Weltgeschichte vor allem als Förderer Leonardo da Vincis in Erscheinung trat.

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Wenn du neugierig bist, kannst du dir das Castello di Novara auch von innen anschauen. Es ist täglich (außer montags) geöffnet. Gratis kannst du einen Blick in den Innenhof werfen und durch den zugehörigen Schlosspark schlendern, der eine der beliebtesten Grünanlagen der Stadt ist.

Wer Kultur mag, sollte sich in keinem Fall das Teatro Coccia in Novara entgehen lassen. Eröffnet wurde es am 22. Dezember 1888, errichtet auf den Ruinen des ehemaligen Teatro Morelliano. Dieses war 1779 eröffnet worden, entsprach aber schnell nicht mehr den Bedürfnissen der damaligen Zeit, da es zum Beispiel zu klein war für Puppenspiele. Die Stadt Novara kaufte das Theater, das bereits seit 1873 Teatro Coccia hieß – zu Ehren des Kapellmeisters Carlo Coccia der Kathedrale von Novara. Der Bau dauerte von 1886 bis 1888. Auch hier wurde wieder Granit aus Baveno vom Lago Maggiore verbaut.

Novara im Piemont: Und sonst?

Sehr gestaunt habe ich auch, als ich den Torre medievale in der Innenstadt entdeckte, den du hier auf dem Foto sehen kannst. Der Turm gehört zu den ältesten Bauwerken von Novara und soll im Jahr 1268 entstanden sein. Die Spitze des Turms entstand erst viele Jahrhunderte später und erinnert nicht nur an eine Krone, sondern auch an eine Schusterscheibe. Denn die Schuhmachergesellschaft war einst die mächtigste Zunft der Stadt und so reich, dass sie der Gemeinde Novara Kredite gewährte.

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Weitere interessante Stunden kannst du in den Museen der Stadt verbringen, zum Beispiel im bereits erwähnten Museo Lapidario am Dom oder im Museo di Storia Naturale Faraggiana Ferrandi.

Übrigens: Wenn du kein Fan von spontanen Touren durch die Stadt bist, unternehme doch einen der fünf Rundgänge, die dir auf verschiedenen Infotafeln im Stadtkern vorgeschlagen werden. Die Themen sind „Von der Antike bis zum Mittelalter“, „Das 15. und 16. Jahrhundert“, „Gegenreformation und Barock“, „Das 19. Jahrhundert und Antonelli“ sowie „Das 20. Jahrhundert zwischen Jugendstil und Moderne“. Du merkst schon, man sollte auf jeden Fall ein wenig Zeit mitbringen, denn Novara bietet mehr, als man für möglich hält.

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Wenn dir der Sinn mehr nach Shopping steht, dann kannst du das in Novara auch ziemlich gut machen. Denn die Stadt ist voller hübscher inhabergeführter Geschäfte und auch einige bekannte (Mode)-Ketten finden sich in Novara. Ein Bummel macht übrigens auch bei Regen Spaß. Denn Novara erinnert mit ihren zahlreichen Bogengängen sehr an die große Schwester Turin.

Wer vom Sightseeing und Shoppen hungrig ist, wird in Novara ebenfalls an jeder Ecke fündig. Die Stadt ist voller hervorragender Cafés und Restaurants. Und die bieten vor allem auch regionale Spezialitäten an.

Novara im Piemont: Was du unbedingt probieren solltest 

Wenn du bis hier hin gelesen hast, hast du sicher schon wieder vergessen, warum ich Novara eigentlich besuchte, oder? Richtig: Ich war auf der Suche nach gutem Gorgonzola, da ich in der gleichnamigen Stadt nicht fündig wurde und die Provinz Novara als Zentrum der Gorgonzola-Produktion gilt. Und weißt du was? Ich wurde fündig, und zwar in der Casa del Gorgonzola. Wenn du Käse magst, solltest du dieses Geschäft in keinem Fall auslassen, wenn es dich mal nach Novara verschlagen sollte. Der Feinkostladen liegt nicht ganz im Innenstadtbereich (Corso Risorgimento 52), ist aber dennoch gut zu Fuß zu erreichen. Dort findest du wirklich alle Spezialitäten, die das Piemont so zu bieten hat, und das sind einige.

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Ebenfalls bekannt ist Novara für verschiedenste Risotti. Immerhin liegt die Stadt direkt am größten Reisanbaugebiet Europas. Solltest du also mal in Novara sein, dann mache es wie ich: Lasse Pasta ausnahmsweise mal Pasta sein und probiere dich durch die fantastischen Risotti, die du in der Stadt wirklich fast überall bekommen kannst. Ich wählte – natürlich – Gorgonzola-Risotto. Gern gegessen werden in Novara aber auch Risotti mit Rotweinen aus der Region.

Apropos Rotwein: In Novara trinkt man vor allem edle Tropfen aus den Rebsorten Vespolina, Barbera und Nebbiolo.

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Käse, Reis und Wein sind nicht so dein Ding? Vielleicht bist du ja eher eine süße Zunge. Wenn das der Fall ist, bist du ebenfalls in Novara richtig. Dann solltest du die Biscotteria Camporelli aufsuchen (Vicolo Monte Ariolo 3). In dem Traditionsgeschäft werden bereits seit 1852 die „Biscotti di Novara“ gefertigt. Die Kekse aus Eiern, Mehl und Zucker sind ein echter Verkaufsschlager und werden nach ganz Europa exportiert. Täglich sollen mehr als 70.000 Kekse hergestellt werden.

Zum Schluss der kulinarischen Infos über Novara habe ich noch einen kleinen „Fun Fact“. Der weltbekannte Bitterlikör Campari ist 1860 von Gaspare Campari in Novara im Piemont erfunden worden. Man verbindet Campari allerdings nicht mit der Stadt, da Campari seine Fabrik damals in Mailand errichtete. 

Novara im Piemont: Mein Fazit

Selten war ich von einer Stadt so begeistert. Novara bietet dir Kunst, Kultur und eine Menge Genüsse – und damit alles, was ein tolles italienisches Reiseziel in meinen Augen bieten sollte. In Novara bekommst du prachtvolle Palazzi, wunderschöne Kirchen, interessante Museen, ganz viel Kultur und vor allem Leckereien. Und das Beste: Novara präsentiert sich wahnsinnig authentisch und unaufgeregt, weil Touristen sich noch recht selten in die Stadt verirren.

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Wenn du also Lust auf eine kleine Schwester von Turin hast, die aber auch ein bisschen was von Mailand hat und wenn du kein Fan von Massentourismus bist, dann sollte Novara ganz schnell auf deiner Reisewunschliste landen. Denn noch zählt Novara im Piemont zu den absoluten Geheimtipps für eine Städtereise.

Ich komme auf jeden Fall gerne wieder nach Novara und bin jetzt schon gespannt, was ich bei meinem zweiten Besuch alles entdecken werde.

Jetzt bist du dran: Bist du schon einmal in Novara im Piemont gewesen? Oder war dir die Stadt vor der Lektüre dieses Textes gar nicht bekannt? Was würdest du dir am liebsten in Novara ansehen? Bist du eher „Team Kultur“ oder „Team Genuss“?

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Weiterlesen: Ein weiterer schöner Ort im Piemont ist Domodossola. Auch lesenswert: Alles über meinen Besuch in Susa und 5 Gründe für Urlaub an der ligurischen Küste.

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Da meine Kamera sehr heiß lief, zeige ich dir gerne noch weitere Eindrücke aus Novara im Piemont.

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