Bisher habe ich es nur an wenigen Stellen auf „Die bunte Christine“ thematisiert, aber ich habe und hatte in meinem Leben diverse Wirbelsäulenerkrankungen. Diese führten – unter anderem – auch mal dazu, dass ich einige Zeit im Rollstuhl sitzen musste. Deshalb ist es eine Herzensangelegenheit für mich, Tipps für Urlaub mit Gehbehinderung zu geben.
Leider merke ich immer wieder, dass es beim Thema Barrierefreiheit noch eine Menge Nachholbedarf gibt – auch in Deutschland. Es hat für viele Entscheider leider keine Priorität und Auflagen für Barrierefreiheit werden oft nur als kostspieliges Übel gesehen.
Erst kürzlich ist die einzige Postfiliale in meinem Stadtteil umgezogen. Das vorherige Ladenlokal war barrierefrei. Das neue Geschäft ist dagegen für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, aufgrund diverser Barrieren nicht mehr zugänglich. Der laute Aufschrei aus der Bevölkerung blieb aus. Behinderte haben halt keine Lobby.
Solche Dinge bestärken mich, selber den Mund aufzumachen und den Finger in die Wunde zu legen. Ich spreche das wichtige Thema „Barrierefreiheit“ an, und zwar immer und immer wieder, wenn es sein muss. Aber dieser Blogpost ist nicht der richtige Ort dafür. Hier möchte ich vielmehr Tipps für einen stressfreien Urlaub mit Gehbehinderung geben.
Urlaub mit Gehbehinderung: Ein paar Hinweise vorab
Bevor ich meine Tipps verrate, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass nicht jeder Mensch mit Gehbehinderung auch direkt auf den Rollstuhl angewiesen ist. Ich habe zum Beispiel aufgrund meiner Erkrankungen einen Schwerbehindertenausweis, der mir – unter anderem – Rabatte in Kultureinrichtungen und Co. ermöglicht. Und je nachdem, wer da an der Kasse sitzt, darf ich mich regelmäßig streiten, ob ich als Mensch, der nicht im Rollstuhl sitzt, überhaupt als schwerbehindert gelte. Sowas nennt sich übrigens Ableismus. Auch hier gibt es viel Nachholbedarf.
Menschen, die gehbehindert sind, aber nicht im Rollstuhl sitzen, können manchmal zum Beispiel keine weiten Strecken laufen oder haben enorme Probleme bei einem Untergrund wie Sand oder auf Steinen in historischen Orten zu laufen. Menschen ohne Behinderung sehen dieses Problem oft nicht. Ich habe mit den Jahren schon einen besonderen Blick für Barrieren und potenzielle Probleme entwickelt.
Ein weiterer Hinweis sei mir an dieser Stelle noch erlaubt: Es geht in diesem Text vor allem um Reiseziele, die man mit dem Auto erreichen kann. Bahnreisen sind mit Gehbehinderung nicht cool, auch wenn die Bahn anderes behauptet, Stichwort „kurzfristiger Gleiswechsel“ oder „defekte Fahrstühle“. Und da ich selber seit Jahren nicht geflogen bin, bin ich auch bei dem Thema die falsche Ansprechpartnerin.
Urlaub mit Gehbehinderung: Besorge dir den Euroschlüssel
Wenn du eine Gehbehinderung hast, bist du unter Umständen berechtigt, dir einen Euroschlüssel zu besorgen. Mit dem Schlüssel hast du europaweit Zugang zu circa 12.000 Behindertentoiletten an Autobahnraststätten, in Bahnhöfen, Kaufhäusern und Freizeiteinrichtungen.
Besonders gut ist das Netz in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgebaut. Aber auch in anderen europäischen Ländern kommen immer mehr Orte beziehungsweise stille Örtchen hinzu, die mit dem Euroschlüssel nutzbar sind.
Den Euroschlüssel bekommen Menschen, die im Schwerbehindertenausweis eines der folgenden Merkzeichen stehen haben: aG, B, H oder BL. Auch wer das Merkzeichen G hat und mindestens einen Grad der Behinderung von 70, kann den Euroschlüssel beantragen.
Urlaub mit Gehbehinderung: Gratis parken im Ausland
Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung haben oft den blauen Parkausweis, der dazu berechtigt, auf speziellen Behindertenparkplätzen zu parken. Aber wusstest du, dass der Ausweis auch in einigen Ländern außerhalb der EU gilt?
Der blaue Parkausweis für Menschen mit Gehbehinderung gilt außerdem in der Schweiz, Albanien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Island, Liechtenstein, Mazedonien, Moldawien, Norwegen, der Türkei und Weißrussland.
Ich glaube zwar nicht, dass du aktuell in eines der Länder fahren möchtest, aber der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass auch in Russland und der Ukraine der Ausweis gilt.
Urlaub mit Gehbehinderung: Frage aktiv nach Rabatten
Wenn du einen Schwerbehindertenausweis hast, lohnt es sich im Urlaub immer nach Rabatten zu fragen. Ich habe schon oft Ermäßigungen bekommen oder durfte auch Warteschlangen überspringen, weil ich nicht so lange stehen kann.
Besonders in Italien habe ich gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel im legendären Teatro alla Scala. Was viele nicht wissen: Man kann dort auch ein Museum besuchen. An der Kasse saß ein netter älterer Herr, dem ich meinen Ausweis zeigte. Eigentlich hätten nur ich und meine Begleitperson einen Rabatt bekommen sollen. Da wir mit drei Personen das Museum ansehen wollten, gab er uns allen einen großzügigen Rabatt.
Das weltberühmte Bild „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci in Mailand kannst du als Mensch mit Schwerbehindertenausweis auch gratis ansehen. Du musst allerdings vorher eine E-Mail schreiben, damit eine Karte zu deinem Wunschzeitpunkt für dich hinterlegt wird. Hast du ein Merkzeichen „B“ im Ausweis stehen, darfst du sogar jemanden gratis mitnehmen.
Auch in zahlreichen Museen (zum Beispiel im Ägyptischen Museum in Turin oder im Königspalast Turin) kannst du mit einem Klick vorab dein Gratis-Ticket buchen.
Erst einmal hatte ich auf Reisen Probleme. Bei der Stadionbesichtigung in Mailand saß eine Dame, die anscheinend mal Ärztin war … Zumindest war sie so anmaßend zu behaupten, dass ich nicht „behindert genug“ für einen Rabatt war, obwohl die Rabatte vor Ort nicht an den Grad der Behinderung geknüpft sind. Ich fragte nochmal nach, was sie meint, und sie sagte frech, dass nur Rollstuhlfahrer behindert sind. Ich habe mich im Nachgang über die Dame beschwert, da auf der offiziellen Internetseite jedem mit Schwerbehindertenausweis gratis Eintritt zugesichert wird. Man entschuldigte sich zwar, aber das hat mir in dem Moment auch nichts gebracht. Ich hoffe aber, dass dies in Zukunft dort nicht mehr vorkommt.
Übrigens: Die Frage nach Rabatten ist einfacher, wenn du den Behindertenausweis im Scheckkartenformat (gibt es seit 2014) dabei hast. Denn dort steht bereits auf Englisch drauf, dass du ein Handicap hast.
Urlaub mit Gehbehinderung: Vokabeln in der Landessprache
Apropos Sprache: Man möchte nicht, dass der Ernstfall eintritt, aber es kann immer vorkommen, dass man sich auf Reisen verletzt oder krank wird. Ja, das kann auch Menschen ohne Behinderung passieren, aber bei mir ist es zum Beispiel wichtig, dass die Ärzte wissen, dass meine Wirbelsäule versteift wurde und ich Titanimplantate habe und so weiter.
Ich habe deshalb immer einen Zettel auf Reisen dabei, wo in der Landessprache draufsteht, dass ich eine Behinderung habe und was ich genau habe. Zudem recherchiere ich immer im Vorfeld, was „Arzt“ und „Krankenhaus“ in Landessprache heißt und notiere mir Sätze, wie „Wo ist das nächste Krankenhaus“, „Wo ist der nächste Arzt“ und „Ich brauche Hilfe“.
Das klingt vielleicht nun ein bisschen übertrieben, beruhigt mich aber und das ist doch die Hauptsache, oder? Und im Fall der Fälle wirst du froh sein, wenn du nur den Zettel vorzeigen musst.
Urlaub mit Gehbehinderung: Achte auf Versicherungsschutz
Apropos Notfall: Es sollte selbstverständlich sein, aber wenn ich mich im Bekanntenkreis so unterhalte, dann scheint es das doch nicht zu sein. Wenn du ins Ausland fährst, dann solltest du unbedingt eine Auslandskrankenversicherung abschließen. Hast du diese nicht, sparst du unter Umständen an der falschen Stelle.
Ein Bekannter ist zum Beispiel vor einigen Jahren in Italien gestürzt. Er war dort einige Zeit im Krankenhaus und musste anschließend nach Deutschland transportiert werden. Der Krankentransport hätte ihn ohne eine entsprechende Versicherung mehrere Tausend Euro gekostet. Eine Auslandskrankenversicherung kostet dagegen nur wenige Euro im Jahr.
Urlaub mit Gehbehinderung: Sei vorbereitet
Es schadet nicht, sich gut auf eine Reise vorzubereiten. Wenn man eine Gehbehinderung hat erst recht. Vielleicht hast du ja ein Metallimplantat im Körper. Ich habe weiter oben bereits erwähnt, dass ich Titanimplantate eingesetzt bekommen habe. Das hat mir auf Reisen schon öfter Probleme gemacht. Ich habe damals in dem Krankenhaus, in dem ich operiert wurde, einen Ausweis bekommen, in dem auf mehreren Sprachen steht, dass ich Metall im Körper habe. Der hat mir schon enorm geholfen, wenn ich am Flughafen oder bei anderen Sicherheitskontrollen „gepiept“ habe und mich erklären musste. Aber er half leider auch nicht immer.
Besondere Vorsicht solltest du auch bei der Hotelwahl walten lassen, vor allem, wenn du auf einen Rollstuhl angewiesen bist. Viele Hotels dürfen sich als „barrierefrei“ bezeichnen, wenn die Türen einer gewissen Norm entsprechen, durch die ein normaler Rollstuhl passt. Doch das heißt leider noch gar nichts. Befreundete Rolli-Fahrer haben mir schon oft berichtet, dass Türen zwar breit genug waren, aber die sonstigen Abmessungen in vielen Hotelzimmern ein Wohnen dort unmöglich gemacht haben.
Was bringt eine breite Tür, wenn man mit dem Rollstuhl nicht ans Bett heranfahren kann oder das Bad unnutzbar ist? Um sicher zu gehen (und im Fall der Fälle auch eine schriftliche Bestätigung zu haben), frage im Vorfeld beim Hotel nach den Abmessungen der Zimmer (also Abständen zwischen Wand und Bett etc.).
Weiter oben habe ich es bereits angesprochen, aber auch gerne erwähne ich es hier noch einmal: Es schadet nicht, die Notfallnummern des Reiselandes parat zu haben. Ebenfalls ist eine Vorabrecherche von benötigten Fachärzten (Orthopäde, Neurologe) oder dem nächsten Krankenhaus nie verkehrt.
Urlaub mit Gehbehinderung: Barrierefreie Ausflugs- und Reiseideen
Wenn man nicht oder nicht gut laufen kann, dann geht das Grübeln bei der Urlaubsplanung ja bereits los, wenn man nach einem geeigneten Reiseziel sucht. Ich habe kürzlich eine Internetseite gefunden, die sehr hilfreich ist und die ich dir nicht vorenthalten möchte: Auf Reisen für alle werden zwar „nur“ barrierefreie Reiseziele in Deutschland vorgestellt (ja, es gibt viel Nachholbedarf), aber dort kann man zum Beispiel im Detail einsehen, wie breit Zugänge zu einem bestimmten Gebäude sind und wo es geeignete Toiletten gibt. Auch Menschen mit anderen Beeinträchtigungen können dort Reiseziele finden, die ihnen das bieten, was sie benötigen.
Wenn du nicht trittfest bist oder im Rollstuhl sitzt und nach einem geeigneten Reiseziel suchst, solltest du dir auch Kurorte näher anschauen. Sie sind den meisten anderen Reisezielen in Sachen „Barrierefreiheit“ um Längen voraus, da ja zahlreiche Kurgäste während ihrer Reha die Möglichkeit haben sollen, sich dort zu bewegen. Und das ist mit Barrieren nun einmal sehr schwer möglich.
Grömitz an der Lübecker Bucht ist zum Beispiel ein ganz wunderbarer Kurort beziehungsweise ein Seeheilbad. Dort kannst du dir kostenlos Strandrollstühle leihen und die Zugänge zum Strand und den meisten Einrichtungen vor Ort sind barrierefrei. Der Ort ist zudem mit zahlreichen behindertengerechten Toiletten ausgestattet und bietet eine Menge Behindertenparkplätze.
Übrigens: Auch viele weitere Orte an der Lübecker Bucht sind Seeheilbäder und vorbildlich in Sachen Barrierefreiheit. Wie wäre es also mal mit einer Reise oder einem Ausflug nach Scharbeutz, Travemünde, Timmendorfer Strand oder Neustadt?
Urlaub mit Gehbehinderung: Leihe dir einen Rollstuhl vor Ort und nutze wheelmap.org
Als ich vor einiger Zeit nach mehreren Wirbelsäulen-Operationen für eine Zeit im Rollstuhl landete, standen wir vor unserem Urlaub vor einem großen Platzproblem. Mein Rollstuhl hätte nämlich einfach den halben Kofferraum in Anspruch genommen und so gut wir uns auch bemühten und einschränkten, wir bekamen das restliche Gepäck nicht unter. Doch dann kam die rettende Idee. Da die Krankenkasse damals Wochen benötigte, um mich mit einem Rollstuhl auszustatten, liehen meine Eltern für mich einen Rollstuhl in einem örtlichen Krankenhaus. Das müsste doch auch an unserem Reiseziel an der Ostsee möglich sein.
Damals gab es noch kaum Internet und so telefonierten meine Eltern alle möglichen Einrichtungen (Touristeninfos, Krankenhäuser etc.) in der Nähe unseres Urlaubsorts ab und hatten Glück. Man konnte tatsächlich einen Rollstuhl für kleines Geld vor Ort ausleihen. Ich hatte zwar die ganze Hinfahrt über Angst, dass es nicht klappen könnte, aber tatsächlich hatte ich am Zielort einen Rollstuhl zur Verfügung. Sollte bei dir das gleiche Problem vorliegen oder solltest du nicht fit genug sein, um mal längere Strecken zu gehen und dich mit Rollstuhl wohler fühlen, dann versuche doch auch, dir am Zielort einen Rollstuhl zu leihen.
Eine tolle Hilfe ist übrigens auch die Internetseite Wheelmap, die dir rollstuhlgerechte Orte in deiner Umgebung anzeigt.
Jetzt bist du dran: Hast du selber eine Beeinträchtigung? Oder bist du schon einmal mit einem Menschen mit Gehbehinderung unterwegs gewesen? Wie sind deine Erfahrungen zu diesem Thema? Welche Orte hast du als barrierevoll erlebt? Wo war es barrierefrei? Und wo waren Menschen besonders hilfsbereit?
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Ich werde mir auf jeden Fall einen solchen Schlüssel besorgen. Ich bin mit einem behindertengerechten Fahrzeug unterwegs und deswegen bestimmt oft an Raststätten. Ich bin froh, dass ich durch das Fahrzeug reisen kann.
Das freut mich, dass durch das Fahrzeug Reisen möglich ist. Die Anschaffung eines Euroschlüssels macht definitiv Sinn.
Mein Sohn sitzt im Rollstuhl. Ich kann dem Beitrag nur zustimmen, dass der Euroschlüssel eine enorme Erleichterung ist. Dennoch bauen wir gerade ein barrierefreies Bad.
Das freut mich, dass der Euroschlüssel ein sinnvoller Helfer ist.